Ich bin Läufer. Schon seit Jahren laufe ich regelmäßig. Ich habe Halbmarathons auf dem Buckel, und einen Marathon habe ich versucht, und bin immerhin bis Kilometer 30 gekommen. Dann kam Diabetes. Sollte es das gewesen sein mit der Lauf-Karriere? Auf keinen Fall! Hier habe ich sechs Tipps für das Laufen mit Diabetes gesammelt, die hoffentlich auch dir helfen, Laufen mit Diabetes in den Griff bekommen zu bekommen.
Laufen mit Diabetes? Geht das überhaupt?
Während ich im Sommer 2020 im Krankenhaus liege und meine Diagnose verarbeite, ist eines der ersten Dinge, die ich ergoogle: „Kann ich mit Typ-1-Diabetes laufen?“ Und: „Marathon mit Typ-1-Diabetes.“ Ich bin begeistert: Schon längst gibt es Menschen, die diese Krankheit so gut im Griff haben, dass alles von 400-Meter-Lauf bis zum Ironman möglich ist. Warum also nicht auch für mich?
So beginnt auch meine große Experimentierphase. Wie verbinde ich meine Insulin, Blutzucker und das Laufen? Gleich eines vorneweg: Es. Hat. Gedauert. Nach etwa sechs Monaten mehr oder minder wildem Rumprobierens, habe ich mein Diabetes und das Laufen so gut im Griff, dass ich mir einen Halbmarathon zutraue. Der Test folgt aber noch. In diesem Blogbeitrag will ich zeigen, wie ich mich herangetastet habe und vielleicht auch dir, liebe:r Leser:in, Inspiration bieten, wie du es vielleicht auch schaffen kannst.
Tipp 1 zu Diabetes und Laufen: Einfach machen
„Und ich soll jetzt wirklich einfach laufen gehen?“, sage ich zu meiner Diabetesberaterin im Krankenhaus. Sie nickt mir aufmunternd zu und schickt mich nach draußen. Darüber habe ich schon an anderer Stelle geschrieben: Diese tolle Beraterin hat mich einfach aufgefordert, mit meinem Diabetes und Laufen herumzuprobieren. Und warum auch nicht? Hier im Krankenhaus wird mein Blutzucker kontrolliert, vor und nach dem Laufen, und mir wird gesagt, was ich dann zu tun habe. „Gönnen Sie sich mal einen Schokoriegel“, sagt mir die Beraterin, als ich schließlich mit einem Wert von 90 (mg/dL) wieder vor ihr stehe.
Das ist wahrscheinlich auch der wichtigste Tipp: Wer Diabetes und Laufen verbinden will, der muss es ausprobieren. Wie reagiert der Blutzucker? Wie hoch muss der Blutzucker zu Beginn des Laufs sein? Kann der Blutzucker während des Laufens steigen? Wie tief fällt der Blutzucker beim Laufen? Und wie weit sinkt er danach? All diese Fragen wollen ausgetestet werden. Dazu ist jeder Diabetes anders und niemand kann dir vorab sagen können, was funktioniert und was nicht. Diabetes bedeutet Experiente. Und noch viel wichtiger: Nicht aufgeben, wenn es beim ersten mal nicht klappt!
Tipp 2 zu Diabetes und Laufen: Es müssen nicht 180 mg/dL sein
Nach meinen ersten Laufversuchen im Krankenhaus, hole ich mir für Zuhause noch mehr Lektüre. So lese ich in der Diabetes und Sportbibel von Ulrike Thurn, dass Diabetiker:innen vorm Lauf am besten einen Wert von 180 mg/dl haben sollten, Tendenz steigend (gemeint ist, dass das CGM einen Trendpfeil nach oben zeigt). Und so fange ich auch an: Ich esse einen Banane und warte, dass der Blutzucker steigt. Dann stelle ich fest, dass die Kohlenhydratmenge nicht ausreicht, und lege noch weitere Kohlenhydrate nach. Irgendwann erreich mein Blutzucker einen Wert von 180 mg/dL, Tendenz steigend und ich laufe los. Und nach 20 Minuten ist mein Lauf zu Ende. 70 mg/ dL. Ich gehe frustriert nach Hause, und futtere Traubenzucker. Was ist schief gelaufen?
Ich habe für mich festgestellt, dass es für mich nicht funktioniert, einen Puffer anzufuttern. Denn es vergeht in der Regel zu viel Zeit, zwischen Zucker essen und Loslaufen. Das heißt, wenn mein CGM 180 und steigend anzeigt, hat der Blutzucker schon fast seinen höchsten Punkt erreicht, und die Kurve fängt wieder an zu fallen, oder zumindest schnurgerade weiterzulaufen. Wenn ich jetzt also loslaufe, verbrauchen meine Muskeln, dass was an Zucker da ist, aber aus der Verdauung kommt kein Zucker mehr nach.
Für mich funktioniert es folgendermaßen besser: Ich esse, je nachdem wie lang der Lauf sein soll, eine größere oder kleinere Menge Kohlenhydrate. Für kurze Läufe (bis 45 Minuten) funktioniert bei mir eine Scheibe Brot mit Erdnussbutte und Marmelade. Bei langen Läufen (bis zu 1,5 Stunden) esse ich eine große Portion Porridge (auf Hafermilchbasis) mit einer Banane und Ahornsirup. Wenn ich merke, dass mein Blutzucker anfängt (!) zu steigen, laufe ich los. Das hat den Vorteil, dass ich schon in Bewegung bin, während mein Blutzucker noch ansteigt, und somit keine Gefahr besteht abzustürzen. Ich kann also länger laufen, da meine Verdauung mein System noch mit Zucker versorgt während ich noch unterwegs bin. Wenn ich jetzt Zucker nachlege, hält es den Blutzucker oben, bevor er überhaupt abstürzt. Was uns zum nächsten Punkt bringt.
Tipp 3 zu Diabetes und Laufen: Zucker nachlegen
Bei meinen Laufrunden habe ich immer Traubenzucker dabei. Immer. In der Regel packe ich mindestens drei Plättchen ein. Bei meinen ersten Laufversuchen, habe ich nach 20 Minuten ein Plättchen gegessen und dann später noch eins. Die Erfahrung hat jedoch gezeigt: Lieber mehr auf einmal, als wenig über die Zeit verteilt. So esse ich inzwischen spätestens nach 25 Minuten zwei Plättchen Traubenzucker, wenn ich einen Lauf von 45 Minuten mache. Das reicht für mich und sollte (siehe Tipp 1) natürlich ausprobiert werden.
Wie viel Zucker brauche ich, wenn ich mit Diabetes lange laufe? Das kommt darauf an: Wir rekapitulieren noch mal, was ich vor einem langen Lauf esse: Porridge, Banane, Ahornsirup. Das sind circa 8 KE. Da hat meine Verdauung schon gut zu tun beim Laufen (und manchmal fühlt es sich auch echt räudig an beim Laufen, kommt aber auch die Tagesform an). Dazu bin ich inzwischen auf Cliff Shot Energy Gel umgestiegen. Ein Päckchen enthält 2,5KE, die ich über den Lauf verteile. Etwa alle 30 Minuten esse ich etwas von dem Gel. Mal etwas mehr, Mal etwas weniger. Zusätzlich trage ich, für alle Fälle weitere Traubenzuckerplättchen mit mir herum. Wenn ich meine Läufe weiter ausbauen möchte, werde ich wohl weitere Cliff Shots mit mir herumtragen müssen.
Tipp 4 zu Diabetes und Laufen: Nicht auf das CGM warten
Dieser Tipp fällt etwas kürzer aus: Wenn du ein CGM trägst, weißt du, dass die Blutzuckerwerte Zeitverzögert bei deinem Dexcom oder Freestyle Libre (oder was du sonst trägst) ankommen. Das liegt zum einen daran, dass nicht im Blut, sondern in der Gewebeflüssigkeit gemessen wird (Hier ist ein tolles Buch dazu, wie CGMs funktionieren und am besten ausgelesen werden). So habe ich die Erfahrung gemacht, dass mein Dexcom noch eine ganze Weile fallende Werte prophezeit, nachdem ich eine Ladung Zucker nachgelegt habe. Des Öfteren war ich kurz davor einen Lauf abzubrechen, bis sich die Werte dann doch erst stabilisiert haben, und dann sogar wieder angestiegen sind.
Tipp 5 zu Diabetes und Laufen: Gutes Equipment macht das Leben leichter
„Wo lasse ich das ganze Zeug?“, denkst du dir jetzt vielleicht. Auch ich bin am Anfang mit dem Handy in der einen Hand und Traubenzucker in der anderen Hand losgelaufen. Inzwischen Trage ich einen Laufgürtel, den ich noch aus dem Marathontraining habe. Da passen zwei Wasserflaschen rein, sowie das Handy, Gel und weitere Traubenzucker. Für das Essen des Gels ist Wasser unverzichtbar, da es sonst die Speise- und Luftröhre völlig verschleimt. Demnächst will ich mir einen Flipbelt kaufen, der vielleicht noch etwas bequemer sein soll.
Um meine Werte im Blick zu behalten, trage ich meine Smartwatch am Handgelenk und habe, Dexcom sei Dank, damit meinen Blutzucker im Blick. Ich persönlich bin absolut dankbar für diese wirklich einfache Anzeige von wirklich kontinuierlichen Werten. Mich würde es sehr nerven, wie beim Libre jedes Mal mein Handy hervorzukramen, und mir an meinen Arm zu halten. Aber wahrscheinlich findet man auch da seine Routine.
Tipp 6 zu Laufen mit Diabetes: Die Basalrate reduzieren
Wenn ich lange laufe, also länger als 45 Minuten, dann passe ich meine Basalrate an. Bei kürzeren Läufen komme ich auch so zurecht. Diesen Tipp habe ich ebenfalls aus der Diabetes- und Sportfibel und er hat sich auch schon während meiner Wanderungen bewährt. Wie reduziere ich also meine Basalrate beim Laufen mit Diabetes?
Zunächst einmal sage ich wie immer: Das ist eine Therapieentscheidung, die bei jedem und jeder anders aussehen kann. Nur weil es bei mir so funktioniert, heißt das nicht, dass es bei dir genauso klappt. Am besten findest du deinen eigenen Weg durch ausprobieren. Im Zweifel besprich dich mit deiner Ärztin oder deinem Arzt.
Ich reduziere schon in der Nacht vor meinem langen Lauf meine Basalrate, genauso wie morgens vor dem Lauf. Durch den Muskelauffülleffekt, habe ich auch nach dem Laufen in der Regel keine erhöhten Werte. Bei mir funktioniert das wirklich gut, wobei ich noch nicht das Optimum gefunden habe, wie stark ich meine Basalrate reduziere, also 30 Prozent weniger oder 50 Prozent weniger. Auch da muss ich noch herumprobieren.
Fazit: Laufen mit Diabetes? Eine Frage der Erfahrung
Ich gebe es offen zu: Es hat bei mir wirklich sechs Monate gedauert, bis ich einen Lauf von mehr als einer Stunde geschafft habe. Viele Experimente haben dazu geführt, dass ich inzwischen die Timings kenne und die Fallstricke. Ich weiß meistens wie viele KEs ich im Vorhinein essen sollte und wie bald ich beim Laufen drauflegen sollte. Also schnür die Laufschuhe, geh raus und mache deine eigenen Erfahrungen.
Viel Erfolg und schreib mir doch gerne, wie du dein Management beim Laufen einstellst. Vielleicht kann ich ja auch noch etwas lernen.
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