Am Anfang ist Diabetes ganz schön verwirrend: HbA1c, TIR und mmg/dl oder vielleicht doch mmol/l? Gerade zu Beginn meiner Diabetes Karriere fällt es mir noch schwer den Überblick zu behalten. Aber damit ich mich einmal mehr damit auseinandersetze schreibe ich hier darüber. Und du erfährst hier die wichtigsten Werte für Diabetiker.
Wir Diabetikerinnen und Diabetiker müssen ganz schön zu Zahlenmenschen werden. Wessen leben hängt sonst noch an der Interpretation einer Blutzuckerkurve ab? Und wer muss schon im Kopf durchrechnen, welche Menge Insulin die Bauchspeicheldrüse eigentlich für welche Menge Kohlenhydrate produzieren muss?
Aber so ist es nun einmal: Wir übernehmen den Job eines Organs. Das ist keine leichte Aufgabe, aber Gott sei Dank sind wir nicht auf uns allein gestellt. Es gibt technische Hilfsmittel, Daumenregeln, und Ärztinnen und Ärzte, die uns unterstützen. Trotzdem gibt es ein paar Werte und Abkürzungen, die jeder von uns kennen und interpretieren können sollte.
Der erste Punkt den ich beschreibe ist der Blutzuckerwert, für meine Leser:innen die kein Diabetes haben. Für jede und jeden Diabetiker:in da draußen wird da keine Überraschung dabei sein. Dann werfe ich noch einen Blick auf die „Time in Range“ (TIR) und den HbA1c.
Mein Ziel ist es, hier einen Überblick zu geben. Vielleicht bist du dir gerade nicht sicher, was ein Wert zu bedeuten hat. Vielleicht schlägst du dich auch gar nicht mit einer halbtoten Bauchspeicheldrüse herum, dann erfährst du hier, was uns Diabetiker:innen jeden Typs so tagtäglich im Kopf herumschwirrt. Vor allem wenn gerade im Restaurant eine Pizza vor uns abgestellt wurde.
Also los geht’s!
1. Der Blutzuckerwert
Der Blutzuckerwert ist für uns Diabetiker:innen die heilige Zahl. Die Kurve die unser Leben bestimmt. Die Achterbahn in unserem Hinterkopf.
Wie der Name schon sagt, gibt er darüber Auskunft, wie viel Zucker gerade in unserem Blut herumschwimmt. Wenn wir kein Insulin nehmen würden, würde kein Zucker in unsere Zellen gelangen – der Blutzuckerwert steigt. Nehmen wir Insulin, wird Zucker in unseren Zellen gelassen und der Blutzuckerwert sinkt wieder. Und auch wenn unser Körper Zucker aufnimmt, zum Beispiel um unsere Muskeln beim Spazierengehen zu versorgen, sinkt der Wert.
Warum nenne ich es Achterbahn? Nun es ist so: Bei jedem Menschen, egal ob mit oder ohne Diabetes, steigt nach dem Essen von Kohlenhydraten der Blutzuckerspiegel an. Bei gesunden Menschen wird dann Insulin ausgeschüttet und der Spiegel sinkt ganz automatisch. Diesen Job übernehmen wir Diabetiker:innen, weil unser Organ nun mal keinen Bock darauf hat mitzuspielen. Also ist es unsere Aufgabe das Hoch und Runter unseres Blutzuckerspiegels auszubalancieren.
Dank moderner Messmethoden, weiß jeder der in Gerät zur kontinuierlichen Glucosemessung (CGM) trägt, in welchem Bereich sich sein Blutzucker zu jedem Zeitpunkt befindet. Der beste Bereich ist für den Wert ist zwischen 70 und 180 mg/dl (oder 3,9 und 10 mmol/l*). Ist er darunter, kommen wir in einen Unterzucker und wir können das Bewusstsein verlieren. Ist er zu hoch macht der Körper Alarm und schickt uns auf die Toilette, um über das Urin Zucker auszuscheiden. Andere Symptome sind Kopfschmerzen, zu viel Energie, Stimmungsschwankungen, und wenn der Zucker wirklich durch die Decke geht, droht auch hier Bewusstlosigkeit. Also ist das Ziel, du ahnst es, schön in diesem tollen Bereich zu bleiben. Und damit zu Punkt 2.
*ob die Angaben in mg/dl oder in mmol/l sind, hängt von tausend Faktoren ab. Tatsächlich ist es in jedem Land unterschiedlich und es ist kein System dahinter. Selbst innerhalb von Berlin ist es von Diabetiker:in zu Diabetiker:in verschieden.
2. Time in Range (TIR)
Was jetzt kommt klingt relativ logisch: Wenn es dem Körper gut geht, wenn unser Blutzuckerwert zwischen 70 und 180 liegt, dann sollte es unser Ziel sein, so viel Zeit in diesem Bereich zu verbringen wie es nur geht. Das ist die Bedeutung von Time-In-Range. Tatsächlich gibt es diese Messgröße noch gar nicht so lange.
Bevor es gute Möglichkeiten gab kontinuierlich Blutzuckerwerte zu erfassen, wusste kein Diabetiker so genau, wo sich seine Werte zwischen zwei Messungen befinden. Und gemessen wurde in der Regel nur zu Mahlzeiten also drei Mal am Tag und vielleicht noch einmal vorm Schlafengehen. Alles dazwischen war unbekannt. Bis die CGMs kamen.
Kontinuierliche Glucosemessung (ergo Blutzuckermessung) heißt: Ein Sensor im Arm zeigt mir als Diabetiker konstant an, wo mein Blutzucker ist. Also weiß ich auch, ob mein Blutzucker zwischen zwei Mahlzeiten zu hoch oder zu niedrig ist. Gut zugegeben, natürlich können Diabetiker:innen das auch an der körperlichen Reaktion festmachen. Aber eine verlässliche Angabe für die Zeit im grünen Bereich gibt es erst seit den CGMs.
Mein Dexcom gibt mir heute hübsche Grafiken, wie lange ich an einem Tag meine Blutzuckerwerte im Griff hatte. Mein Ziel ist es 70 Prozent der Zeit zwischen Unter- und Überzucker zu verbringen, da medizinisch erwiesen ist, dass Spätfolgen sich massiv reduzieren, wenn Diabetiker:innen diesen Prozentsatz einhalten.
Natürlich bin ich aber auch ehrgeizig und sobald ich solche Zahlen sehe, möchte ich auch das Optimum herausholen. Also je höher die TIR, desto besser. Ganz besonders schön sind da natürlich 100-Prozent-Tage.
3. HbA1c
Jeden Tag überlege ich aufs Neue, ob ich diese Buchstaben und Zahlenkombi richtig zusammengesetzt habe: HbA1c. Anhand von diesem Wert schätzt unser Diabetologe oder unsere Diabetologin ein, ob wir unseren Zucker im Griff haben.
Es ist so, wenn unser Blutzucker als Diabetiker:in zu hoch ist, dann bleibt einfach gesagt Zucker an unseren roten Blutkörperchen kleben (rote Blutkörperchen = Hämoglobin, daher kommt das Hb in der Formel). Der Klebstoff ist eine Eiweißkette, A1c genannt. Aha, da haben wir die Buchstabenkombi HbA1c zusammen. Wenn wir oft überzuckern oder viel Zeit im Überzucker verbringen steigt der Wert an.
Dieser Wert ist ein guter Indikator für Spätfolgen. Je höher er über einen langen Zeitraum ist, desto höher die Wahrscheinlichkeit für all die unschönen Spätfolgen, die wir Diabetiker:innen so bekommen können. Die Zahl, die man vom Labor bekommt, sagt in Prozent aus, wie viel Blutzucker in den letzten zwei bis drei Monaten an den roten Blutkörperchen hängengeblieben ist.
Bei gesunden Menschen liegt der Wert unter 6,5 Prozent. Tatsächlich bedingt ein Wert darüber die Diagnose Diabetes mellitus. Also was ist das Ziel eines jeden Diabetikers? Richtig! Unter 6,5 Prozent zu bleiben.
Meine aktuellen Werte 2021
Ich kann mich glücklich schätzen, dass mein Diabetes-Management relativ gut verläuft. Deshalb freue ich mich darüber, dass ich aktuell an fast allen Tagen meine TIR von 70 Prozent erreiche. Oft habe ich sogar eine TIR von über 90 Prozent erreicht. Ein paar 100-Prozent-Tage habe ich auch schon gefeiert.
Auch mein HbA1c-Wert sieht aktuell super aus. Er ist mit 5,4 Prozent so niedrig, dass dies sogar ein Indikator für zu häufige Unterzucker ist. Tatsächlich konnte ich auf Vorschlag meiner Ärztin meine Basalrate noch weiter reduzieren, um noch seltener in den Unterzucker zu geraten.
Ich weiß aber auch, dass dies Hinweise sind, dass ich gerade in der sogenannten Honeymoon-Phase bin. Das bedeutet, dass meine Bauchspeicheldrüse sich freut, dass ich Insulin von außen zuführe. Und um das zu feiern, nimmt sie selbst noch einmal die Arbeit auf und ich brauche im Umkehrschluss weniger Insulin zuführen.
Das wird eine Weile gutgehen, aber irgendwann ist auch die Phase vorbei und meine Drüse wird nicht mehr mitspielen. Bis dahin freue ich mich darüber, dass mich mein Organ noch unterstützt, und hole das Beste raus solange es noch einfach geht.
Auf jeden Fall habe ich den Ehrgeiz, mit so wenigen Spätfolgen wie möglich durch dieses Leben zu kommen. Also: HbA1c – I am watching you!