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Diabetes im Job – Von Spritzen, Koma und Geschäftsessen

Vor Diabetes im Job hatte ich zu Anfang ziemlich viel Respekt. Glücklicherweise bin ich in einer privilegierten Situation – ich habe einen Bürojob. Wer auf dem Bau oder im Stahlwerk arbeitet, hat sicherlich ganz andere Probleme mit Diabetes und seinem Beruf. Aber trotzdem: An Diabetes bei der Arbeit muss man sich erst einmal gewöhnen.

Kein Geheimnis – No big Deal

Ich versuche im Job, wie sonst auch, meine Krankheit nicht in den Mittelpunkt zu stellen. Mein Typ-1 Diabetes ist nur ein Bug in meinem System, den ich immer mitdenken muss. Um ihm doch ab und zu eine Bühne zu geben, habe ich diesen Blog (und natürlich meinen Insta-Kanal). Klar erkläre ich gerne auch mal was zu meinem Begleiter, erzähle mal wie es so für mich ist, aber es ist eben nicht das einzige bestimmende Thema. So halte ich es auch im Job.

Ist es okay, wenn ich mich spritze?

Es gibt Situationen, in denen der Typ-1 dann eben doch offensichtlich wird. Beim Essen zum Beispiel. Zwei Wochen nach meiner Diagnose beginne ich einen neuen Job. Ich kenne meine Kolleg:innen noch nicht. Also frage ich bei meinem ersten gemeinsamen Mittag auch: „Ist es okay, wenn ich mich spritze?“

Mache ich das, weil mir es unangenehm ist? Nein, ich kenne einfach genug Menschen (zwei) mit einer Spritzenphobie. Anderen wird es also auch so gehen. Also finde ich es einfach höflich zu fragen, bevor ich mein Spritzbesteck hervorhole, meinen Bauch lüfte und mir eine Nadel in die Haut stecke.

Erstaunlicherweise hat sich bislang niemand beschwert. Insgeheim warte ich auf den Tag, an dem mich eine verbitterte Mitvierzigerin von einer Parkbank vertreibt, weil ich mir öffentlich Marihuana in die Venen pumpe und „DIE ARMEN KINDER“ schreit. Ich kann es kaum erwarten. Inzwischen mache ich es einfach diskret nebenbei, die meisten meiner Mitmenschen und Kolleg:innen ignorieren es einfach höflich und ich glaube so ist es auch für alle am komfortabelsten. Der spritzt sich halt – no Big Deal.

Es könnte sein, dass ich mal umkippe

Irgendwann kommt natürlich trotzdem die Frage: Und wie ist das so mit Diabetes? Was heißt das jetzt so für dich? Und eine meiner ehrlichen Antworten ist: Naja, wenn ich etwas falsch mache, kann es sein, dass ich umkippe. Um nicht zu sagen, in Ohnmacht falle. Oder ins Koma. Aber so drastisch drücke ich das meistens nicht aus. Aber ein paar Kolleg:innen wissen Bescheid, dass wenn ich irgendwie abwesend wirke, könnte es gut sein, mir einen Traubenzucker in die Hand zu drücken.

Zum Glück gibt es ja aber auch meinen treuen Dexcom, mein Blutzuckermessgerät, das mich kontinuierlich mit dem Status meines Blutzuckers versorgt. Es ist also unwahrscheinlich, dass es mal zum Äußersten kommt. Das ist, mal nebenbei bemerkt, äußerst beruhigend. Die Gefahr, dass ich bei einem Teammeeting rückwärts umfalle, weil ich meine Kohlenhydrate überschätzt habe, ist doch recht minimal. Der Technik sei Dank.

Herausforderung Geschäftsessen mit Diabetes

Eine Sache ist dann doch bisher kompliziert: Geschäftsessen. Ich bin noch nicht so weit, dass ich mir vor einem Kunden, den ich von einem Geschäft überzeugen will, eine Spritze in den Bauch jage. Aber in der Situation war ich, Corona sei Dank, erst zwei bis drei Mal. Also wie habe ich es gelöst?

„Ich bin gleich wieder da“, sage ich, nachdem ich mir das Essen angeschaut habe und die Kohlenhydrate im Kopf überschlagen habe. Dann gehe ich kurz auf Toilette. Dort packe ich meine Spritze aus. Natürlich kommt in dem Moment ein Restaurant-Gast auf die Toilette und denkt sich mit Sicherheit ich wäre ein Junkie. Zum Glück war es keine aufgeregte Mitvierzigerin mit strenger Karen-Frisur.

Ich denke es wird darauf hinauslaufen, dass ich mir auch vor Kunden spritze, ohne viel Aufsehen darum zu machen. Im Zweifel kann ich mich ja auch in den Oberarm stechen. Da brauche ich wahrscheinlich einfach etwas Routine und positive Erfahrungen. Von meinem Arbeitgeber gab es jedenfalls noch nie einen Kommentar – nur einmal das typische Missverständnis: „Naja, da kann man doch mit Ernährung was machen.“

Fazit: Diabetes im Job ist möglich auch ohne viel Aufsehen

Am Ende ist Diabetes im Beruf wie so vieles eine Übungssache. Ganz aktuell ist im Dauer-Home-Office alles natürlich ganz einfach. Aber in der neuen Normalität wird es auch wieder  Geschäftsessen geben und Mittagspausen mit Kolleg:innen. Und wenn sich einmal Routine einstellt, wird auch das Diabetesmanagement im Job ganz einfach Alltag.

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