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Wie du in 3 Schritten in einer fremden Stadt Insulin bekommst (auch Sonntags)

Das Insulin ist alle – der Albtraum aller Diabetiker:innen. Was ist also zu tun, wenn man ohne Insulin in einer fremden Stadt dasteht? Soviel vorweg: Es ist kompliziert und es ist zeitraubend. Und ich habe einen Vorschlag wie man den Zugang zu Insulin sehr viel einfacher gestalten könnte.

Mit Typ-1 Diabetes bist du auf Insulin angewiesen. Punkt. Natürlich können Diabetiker es auch mal ein paar Stunden ohne dieses Wunderwerk der Medizin aushalten, aber irgendwann ist Schluss. Wir können eben nicht selbst Insulin produzieren. Deshalb ist es auch dramatisch, wenn uns das Insulin ausgeht. Und genau das ist mir natürlich passiert! Ich bin zu einer Taufe für drei Nächte in eine andere Stadt gefahren und natürlich habe ich mein ganzes Equipment eingepackt – was ich aber nicht kontrolliert habe ist, wie viele Einheiten noch in meinem Insulin-Pen sind. Ein echter Anfängerfehler. Was macht man also, in einer fremden Stadt, an einem Samstagabend, wenn einem das Insulin ausgeht?

Für Eilige: In 3 Schritten Insulin in einer fremden Stadt bekommen (auch Sonntags)

1. Ruf beim ärztlichen Bereitschaftsdienst (116 117) an und frage, wo die nächste Notfallpraxis ist

2. Fahre zur Notfallpraxis und lasse dir ein Rezept ausstellen (Tipp: Nimm deinen Pen mit, dann weiß der Arzt oder die Ärztin, was genau sie verschreiben soll)

3. Fahre mit dem Rezept zu einer (Notfall-)Apotheke. In der Notfallpraxis kann man dir sagen, wo noch eine Apotheke offen hat

Erster Versuch: Die Apotheke

Ein Tipp vorab: Don’t Panik. Es gibt für solche Situationen natürlich Lösungen. Aber erst einmal wusste ich auch nicht weiter. Meine erste Idee war, in der Apotheke anzurufen. „Kann ich bei Ihnen auch ohne Rezept Insulin bekommen?“, frage ich, „meins ist fast alle und ich habe hier keinen Arzt.“ Die freundliche aber bestimmte Antwort der Apothekerin ist: „Leider nein, das hören wir öfter, und das ist total doof, aber ohne Rezept können wir nichts herausgeben. Vielleicht kann ihr Arzt etwas faxen?“

Zweiter Versuch: Der ärztliche Bereitschaftsdienst (116117)

Die Apotheke ist also nicht die richtige Adresse. Die zweite Idee ist der ärztliche Bereitschaftsdienst unter der Nummer 116 117. Dort kann mir immerhin jemand weiterhelfen. Ich werde zur nächsten Notfallpraxis geschickt. Nicht zu verwechseln mit der Notaufnahme, denn anders als diese nimmt die Notfallpraxis alles an was in die Kategorie „könnte auch der Hausarzt machen“ passt. Die wirklichen Notfälle bleiben für die Notaufnahme.

Dritter Versuch: Die Notfallpraxis

Der Autor ist in einer Notfallpraxis zu sehen. Er verdreht genervt die Augen, weil er auf eine Rezept für Insulin warten muss
Genervt in der Notfallpraxis: Langes Warten um kurz ein Rezept zu bekommen

Also fahre ich 45 Minuten einmal quer durch Stuttgart. In der Notfallpraxis ist es aber nicht so, dass ich sagen kann: „Hallo ich bin Diabetiker, ich habe kein Insulin mehr, bitte geben Sie mir ein Rezept für Humalog.“ Nein, ich muss mich wie alle anderen Menschen anstellen, um einen Arzt zu sehen. Das dauert natürlich. Nach etwas mehr als einer Stunde, sitze ich also genau für zwei Minuten einer Ärztin gegenüber. Ich sage ihr, welches Insulin ich brauche, und bekomme mein Rezept. Da hat sich das Warten doch gelohnt. Und jetzt muss ich natürlich auch noch den Weg zu einer Notfall-Apotheke machen.

Die liegt immerhin auf dem Weg zurück. Und ich habe Glück: Mein Insulin ist Vorrätig! Mit einem neuen Vorrat Insulin-Pens ausgestattet, ist meine Odyssee endlich beendet. Das hätte doch wirklich einfacher gehen können!

Mein Vorschlag für Diabetiker in Notfall-Lagen

Warum eigentlich ist es in Deutschland nicht möglich, sich als Diabetiker:in im Notfall eine Notfalldosis Insulin zu besorgen? Es ist doch ein Leichtes auf der Krankenkassenkarte den Status „Diabetiker:in“ zu hinterlegen, einmal bei der Apotheke vorzeigen, und man bekommt einen Insulin-Pen ausgehändigt – natürlich wenn es drauf ankommt. Ich wäre sogar bereit den Vollpreis zu bezahlen, damit Menschen nicht auf die Idee kommen, diesen Service auszunutzen. Es könnte so einfach sein, wenn unser Gesundheitssystem etwas digitalisierter wäre.

Was meint ihr? Wäre das nicht eine großartige Lösung? Vielleicht warst du ja mal in einer ähnlichen Situation, und hättest es gebrauchen können. Was meinst du?

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Karl

    Danke für den Artikel. Mir ist es gelungen, in so einer Situation mit der Fax-Lösung weiter zu kommen – setzt natürlich voraus, dass der Diabetologe daheim Sprechzeit hat. Aber wenn ich das so lese, wäre es doch das einfachste, wenn man sich ein extra Rezept ausstellen lässt und bei sich trägt, oder? Papier ist unanfälliger als Insulin, und nimmt im Portemonaie wenig Platz weg.

  2. Chris

    Danke für den Artikel.
    Witzigerweise ist mir genau das Gleiche auch in Stuttgart am 23.5.25 geschehen. Frühstück in Augsburg am Bahnhof (eine Breze), Zug nach Stuttgart und im ICE festgestellt, dass die Humalog-Patrone leer war (die volle liegt zu Hause am Schreibtisch). Also in Stuttgart Gang zur Bahnhofsapotheke (Schon mit sprürbar und messbar > 300 Blutzucker). Dort Hinweis auf Verschreibungspflicht und Hinweis auf das nahegelegene (800m) Katarinen-Krankenhaus. Dort in Notaufnahme, am Eingang Hinweis auf den Notdienst 116 117 Anruf dort, nächste Notfallpraxis öffnet in vier Stunden irgendwo in der Stadt. Vorschlag: Ich möge die Notaufnahme INA (an der ich ja gerade stand) um Hilfe bitten. Also 10m weiter die Bitte um Rezept und/oder Geben von Insulin, Anruf beim Oberarzt und wieder Hinweis auf Notfallpraxis (öffnet in vier Stunden). Keine Gabe von Insulin und keine „Notfallinsulinspritze“ vor Ort.

    Ich habe mich dann dem eigentlichen Sinn meiner Reise nach Stuttgart gewidmet und bin dann um 23h dann dort (Heidelberg) gewesen, wo ich hinwollte und habe den Blutzucker dann natürlich mit dem dort gelagerten Insulin runtergespritzt.

    Alle Drei, Apotheke, Notaufnahme und Bereitschaftsdienst haben sich „korrekt“ verhalten – und trotzdem ist der Schaden entstanden, nämlich meiner Gesundheit. Das mit dem „Rezept“ dabei geht leider ja auch nicht, weil das nur noch 30 Tage gültig wäre. eRezept wäre eine Option, wenn die eigene Praxis denn geöffnet hätte und man diese telefonisch auch erreichen würde.

    Aus meiner Sicht eine insgesamt unbefriedigende Lösung, denn wenn man in die Hyperglykämie fällt, wäre die Notaufnahme ja auch Mittel der Wahl.

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